Hier ist noch eine Baustelle
"Durch Sümpfe und Wälder entstellt"
Die Entwicklung der Landschaft in Ammersbek
Bis vor knapp 12000 Jahren war das heutige Ammersbek noch von Gletschereis bedeckt. Nach seinem Rückzug bildete sich eine baumlose arktische Steppe. Jedes Frühjahr kamen große Rentierherden aus dem Süden, gefolgt von altsteinzeitlichen Jägern, die ihre Sommerlager im Ahrensburger Tunneltal an kleinen Seen aufschlugen, die spät schmelzende Eisreste hinterlassen hatten (Toteisseen).
Mit der weiteren Klimaerwärmung kamen Birken und dann auch Kiefern. so dass erst Tundra und dann dichte Birken-Kiefern-Wälder entstanden. Erlen, Ulmen und Linden wanderten ein. Schließlich folgte die Eiche, die sich erfolgreich verbreitete und Eichenmischwälder bildete. Da Eichen sehr lichtbedürftig sind, waren dies lockere Wälder mit Hasel im Unterwuchs. Kiefern waren großteils verdrängt, in den Niederungen hatten Erlen Fuß gefasst. Als letztes, vor rund 5000 Jahren, wanderten Buchen in die Ammersbeker Jungmoränenlandschaft ein und verdrängten die meisten Eichen durch Beschattung.
Erste Siedler schufen neue Lebensräume
Am Ende der Mittelsteinzeit schließlich wurde der Mensch in Stormarn sesshaft. Die Ammersbeker Natur bestand zu dieser Zeit flächendeckend aus Buchenwald mit Erlen in den Bachtälern. Baumfrei waren nur die Hochmoore. Lichtungen im Wald gab es einzig durch Brände nach Blitzeinschlag oder durch Windwurf. Hinzu kamen die Biberwiesen in den Talauen, in denen Überflutungen Baumwuchs verhinderten.
Etwas, das heute für unsere Landschaft so typisch ist, fehlte: Gebüsche. Offene Lebensräume für lichtliebende Sträucher schufen bei uns erst die frühen Siedler durch Rodungen und Beweidung. Diese frühe Umweltveränderung hatte durchaus positive Folgen: Neue Pflanzen- und Tierarten wanderten in die waldfreien Standorte ein und führten zu mehr Artenvielfalt.
Natur wird zur Kultur
Die Siedler der Jungsteinzeit schufen die Basis unserer heutigen Heimat. Sie begannen damit, aus der Naturlandschaft etwas Neues zu formen: Kulturlandschaft. Sie begradigten und verbauten Bäche, um sie berechenbar zu machen, stauten sie zu Teichen auf, um Fische zu züchten. Sie rodeten Wälder, um Holz zu gewinnen und Ackerflächen zu schaffen. Sie entwässerten Moore, um Brenntorf und weitere Flächen für die Landwirtschaft zu erhalten. Sie legten Verkehrswege an und bauten ihre Häuser mit Material aus der unbelebten Natur, aus Ton, Lehm, Sand und Steinen, für die sie Gruben anlegten und so die Morphologie veränderten.
Kein Raum für große Raubtiere
Da bis vor 4000 Jahren Natur- und Kulturlandschaft noch nebeneinander bestanden, gab es ausreichende Wildnis als Rückzugsgebiet, auch für die großen Raubtiere Wolf, Bär, Luchs und Vielfraß.
Mit Beginn der Bronzezeit wurde die Siedlungsdichte in Stormarn und dort besonders im Einzugsbereich der Fließgewässer so hoch, dass die Menschen begannen, auch die verbliebene Natur unter Kultur zu nehmen. Der Bedarf an Ackerland und Holz war groß, die Wälder wurden brandgerodet und die Raubtiere, die das Vieh bedrohten und die Menschen ängstigten, getötet.
Früheste Umweltkatastrophen
Nun traten die ersten Probleme auf: Da der Wald
als Wasserspeicher fehlte, nahmen Hochwasserereignisse zu. Die feinkörnige Krume der Wind und Regen ausgelieferten Äcker fiel der Erosion zum Opfer häufte sich andernorts zu Dünen auf oder wurde in die Bäche gespült. Hierdurch gab es noch mehr Hochwasser und Lehm lagerte sich in den Auen ab. Diese Auelehme sind eine der Spuren, die Frühgeschichtler als Beweis dafür sehen, dass es vor 2500 Jahren die erste Umweltkatastrophe gab.
Die Population, direkt abhängig von ertragreichem Umland, ging zurück, Wälder konnten neu wachsen. 98 n.Chr. schilderte der römische Historiker Tacitus die deutsche Landschaft als „schaurig“ und „durch Sümpfe und Wälder entstellt“.
Mit Beginn des Mittelalters hatte sich die Landschaft weitgehend erneuert, im Spätmittelalter begann der Mensch mit ersten Aufforstungen, um dem steigenden Verbrauch an Energie- und Bauholz zu begegnen. Mit der Holzwirtschaft erst kamen die Fichten nach Norddeutschland. Heute ist kein Wald in Stormarn oder den Walddörfern noch ein ursprünglicher Wald.
Mittelalter und Neuzeit
Die ersten Jahre des Dorfes Hoisbüttel standen unter einem schlechten Stern, sie fielen nämlich in etwa mit dem Beginn der so genannten „Kleinen Eiszeit“ zusammen, die schließlich zu vielen kalten Wintern, Missernten und Ausbreitung von Krankheiten führte. Viele Dörfer wurden zu Wüstungen, so auch das Dorf Lottbek. Durch diesen Bevölkerungsrückgang erholte sich der Wald. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde er jedoch schon wieder gerodet, durch Graf Detlev Rantzau.
Selbst im Landschaftsraum eines kleinen stormarner Dorfes kann man also ein Grundprinzip der menschlichen Siedlungsgeschichte erkennen: eine zyklische Folge von Wachstum, Zusammenbruch, Erholung. Je abhängiger die Menschen von ihrem Umfeld waren, desto rascher folgten die Zusammenbrüche, lokale Umweltkatastrophen auf übermäßige Ausbeutung. Hinzu kamen natürliche Einflüsse wie Klimawandel oder Naturkatastrophen, die sich damals viel direkter und schneller auf die Menschen auswirkten als heute.
Die stärkste Veränderung der Landschaft in Deutschland und damit auch in Ammersbek aber findet seit knapp 40 Jahren wieder infolge Wachstums statt: Landschaftsverarmung und Rückgang der Artenvielfalt durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und Landschaftsverbrauch durch Siedlungs- und Verkehrsflächen.
Welche Schätze sich bei uns trotzdem noch finden, zeigte eine Ausstellung des NABU Ammersbek 2012 im 750. Jahr von Hoisbüttel,die vier wesentliche Landschaftselemente thematisiert: Moor, Agrarland, Bäume und Bäche.
Vom echten Hochmoor, also einem Moor, das sich durch jahrtausendelanges Wachstum der Torfmoose hoch aufgewölbt hat, gibt es in Ammersbek nur noch eine winzige Fläche im Naturschutzgebiet Heidkoppelmoor. Dieses Moor, auch wenn es vermutlich seit dem Mittelalter immer wieder für Brenntorfgewinnung genutzt wurde, stellt die ältesten Relikte der ursprünglichen Natur Ammersbeks dar und existierte bereits, als Hoisbüttel erstmalig urkundlich erwähnt wurde.
Von allen anderen Moorflächen Hoisbüttels und Bünningstedts, den Niedermooren, die in niedrig gelegenen Arealen, im Wesentlichen entlang der Bachläufe existierten, sind heute nur Relikte in Form von Feuchtwiesen verblieben. Doch auch diese werden weiter drainiert, um ihre Nutzbarkeit zu steigern.
Agrarland
Wenn Hamburger früher einen Ausflug nach Hoisbüttel machten, fuhren sie aufs „Land“. Gemeint war die Landschaft, die die bäuerliche Landwirtschaft geschaffen hatte. Diese hat der Natur nicht nur Lebensräume genommen, sondern auch neue geschaffen, wie Gebüsche und Wiesen. Der größte Reichtum an Gebüschen bestand im 17. Und 18. Jahrhundert. Die noch unverkoppelte Allmende, die Nutzfläche, die allen gemeinsam gehörte, war eine malerische Hudelandschaft aus extensiv, also mit wenigen Tieren beweideten, strauchreichen Triften und stärker beweideten und daher aufgelockerten Wäldern mit reichem Unterwuchs.
Für die Verkopplung wurden 1792 die bis dahin mit Gebüschen und Baumgruppen durchsetzten Marken ausgeräumt. Auf den neu angelegten Wällen der Knicks, die als Parzellengrenzen dienten, wurden dafür Sträucher gepflanzt. Die Kleingehölze standen der Dorfbevölkerung zur Verfügung. Das Holz der Bäume gehörte dem Grundherrn.
Die Wallhecken, von denen es in Ammersbek heute noch über 100 km gibt, sind heute nicht nur ein Kulturdenkmal, sie bilden auch den wichtigsten Lebensraum für lichtbedürftige Straucharten und auf offene Landschaft angewiesene Tiere. Die heutige gesetzlich zugelassene und in der Praxis meist deutlich rigider betriebene Knickpflege sorgt jedoch dafür, dass auch diese letzten Rückzugsgebiete an Arten verarmen.
Das Gleiche geschieht mit den Wiesen. Noch vor 50 Jahren brachte der Ausflügler einen bunten Blumenstrauß aus Hoisbüttel mit. Heute färbt allenfalls nährstofftoleranter Löwenzahn oder Hahnenfuß die Wiesen im Frühling. Vielfache Düngung, die auch der Gülleentsorgung der Mastbetriebe dient, erhöht die Energiekonzentrationen des Grases und verringert die Artenvielfalt. Vielfalt aber wird von Armut erzeugt: Nur Magerwiesen sind blumenbunt und die gibt es nur noch, wo sie rechtzeitig durch Naturschutzgebiete erhalten wurden. Ertragssteigerung betrifft die Tierwelt auch direkt: Frühe Mahd und das davor betriebene Walzen zerstört die Nester der Wiesenbrüter, tötet Junghasen und Vogelküken.
Wirtschaftlicher Druck führte
Bei der Hoisbütteler Mühle zum Aussterben der bäuerlichen Landwirtschaft. Während 1800 n.Chr. Bünningstedt von 23 und Hoisbüttel von 30 Hufnern bewirtschaftet wurden, sind heute insgesamt nur noch acht Landwirtschaftsbetriebe übrig. Andere verpachten diesen ihr Land oder haben auf Reitpferde umgestellt.
Bäume
Die bäuerliche Landwirtschaft hat Ammersbek die ältesten Zeitzeugen hinterlassen: Bäume, namentlich Eichen und Linden. Es könnte sogar noch Bäume aus den ersten Jahren Hoisbüttels geben, denn auch andernorts stehen über 800 Jahre alte Eichen. In unserer dicht besiedelten Landschaft am Rande der Stadt Hamburg hat aber kein Baum aus der Zeit überlebt. Die ältesten Bäume Ammersbeks, von denen der Pflanzzeitpunkt dokumentiert ist, sind die Linden der Lindenallee im ehemaligen Gutspark mit ihren 240 bis 244 Jahren und die Dorflinde von 1797des alten Gasthofs "Lottbeker Krug" am heutigen U-Bahnhof Hoisbüttel.
Die Linde diente seit langem als Hausbaum, denn ihr Blatt war im Mittelalter das Zeichen der freien Gundbesitzer. Martin Luther schrieb, „die Linde ist uns ein Freude- und Friedensbaum“. An einigen der Hofgebäude in Hoisbüttel und Bünningstedt sind noch Lindenreihen erhalten.
Eichen standen nicht nur für Stärke und Beständigkeit, im Mittelalter hieß es auch „Auf den Eichen wachsen die besten Schinken“ denn Schweine wurden zur Eichelmast in den lichten Wald, Hudewald, getrieben. Fast alle Eichen in Ammersbek sind heute Knickeichen. Und bei den Eichen im Wald zeigen alte Knickwälle, dass auch sie vor dem Aufforsten an Feldgrenzen standen.
Einzelne Eichen jedoch stehen auf Weiden, beispielsweise auf der Pferdekoppel zwischen Bredenbek und Bauhof (Foto). Man kann annehmen, dass sie deutlich älter sind als die Verkopplung, nämlich über 300 Jahre. Frei stehende Eichen waren wertvoll für die Viehmast, denn sie spendeten nicht nur Schatten, sondern trugen auch jedes Jahr Früchte. Heute dienen ihre Höhlen und Spalten als Winterquartier für Fledermäuse oder als Heimat für Rote Liste Arten wie den Juchtenkäfer.
Bach
Lottbek Zwei Alsterzuflüsse, Ammersbek (auch Hunnau oder Aue) und Bredenbek mit ihren jeweiligen Nebenbächen bestimmen das gemeindliche Gewässernetz. Keiner der Bäche ist noch natürlich. Ihr Wasser ist belastet durch Dünger und Pestizide und solchen Chemikalien, die Kläranlagen noch nicht herausfiltern können. Ihr Lauf ist stark verbaut und verändert, denn die Unberechenbarkeit ihres freien Mäandrierens passt nicht mehr in unsere geordnete Landschaft.
Trotzdem sind Bäche auch heute ein wichtiges Naturelement. In ihnen leben nicht nur viele kleine Organismen und Fische, sie bilden auch die „Tränke“ für die Tierwelt. Als Grünachsen in den Wohngebieten haben sie eine magische Anziehungskraft, für Kinder und sind Wanderkorridore für viele Tiere.
Besiedlung war besonders in vorgeschichtlicher Zeit und im Mittelalter abhängig von ausreichend Wasser für das Vieh und den Anbau von Feldfrüchten. Auch wenn heute noch stellenweise Wasser aus Bächen entnommen wird, so ist die Versorgung des Agrarlandes durch Brunnen gesichert. Die Bäche dienen heute primär zum Ableiten von Wasser auf der Fläche. In den Siedlungsgebieten nehmen sie als so genannte Vorfluter das Wasser auf, das auf Dächer, Terrassen und Straßen fällt. Die Versiegelung der Böden
Lottbeker Stauteich führt dazu, dass Wasser nicht mehr allmählich im Boden versickert, sondern in großen Mengen rasch abgeleitet werden muss. Bei Starkregenfällen schwellen die Bäche daher schneller an als früher.
Entlastung schaffen die Teiche in Ammersbek, die als Rückhaltebecken in jüngster Zeit künstlich angelegt wurden. Alle anderen Teiche sind mittelalterliche Stauteiche der Bäche oder Toteisseen.
Tierische Neubürger
WaschbärViele Tiere, die heute bei uns ausgestorben oder vom Aussterben bedroht sind, waren noch vor 750 Jahren ein wichtiger Teil der Natur Stormarns: Biber z. B. modellierten Auenlandschaften, Wölfe betätigten sich als Waldschützer, indem sie den Bestand an Hirschen, Elchen und Rehwild niedrig hielten. Der letzte „griese Hund“ wurde um 1820 bei Neumünster erlegt.
Biberratte (Nutria) Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es noch heimische Nerze bei uns, die heutigen sind Nachkommen entlaufener Zuchttiere. Pelztierfarmen sind auch für andere Neubürger verantwortlich, wie Biberratten (Nutria), Waschbären oder Bisamratten. Andere wurden bewusst bei uns ausgesetzt, wie Ende des 20. Jahrhunderts die Wildkaninchen oder „Ziergeflügel“ wie Schwan und Fasan.
Die Ratten, die es früher bei uns gab, stehen heute auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Es waren Hausratten, auch Dachratten genannt, während die modernen Bewohner der heimlichen Winkel Ammersbeks Wanderratten sind, die im 18. Jahrhundert aus dem Osten Asiens eingeschleppt wurden, meist als blinde Schiffspassagiere.
Brandmaus im Ortsteil Lottbek Auf natürliche Weise allmählich eingewandert dagegen ist eine andere Mäuseverwandte, die Brandmaus, die in den 1930er Jahren in Stormarn noch nicht gefunden wurde, heute aber in Ammersbek heimisch und häufig ist.
©Text und Fotos: Dr. Petra Ludwig-Sidow
Quellen: „Stormarn —Der Lebensraum zwischen Hamburg und Lübeck“ Paul Hartung Verlag 1938