NABU - Gruppe Ammersbek e.V.


Landschaftspfleger auf vier Beinen

Gelungene Kooperation zwischen Bio­bauer und Nabu-­Gruppe

Seit Som­mer 2012 gra­sen sie wie­der, die bunt Gescheck­ten und ök­olo­gisch Kor­rek­ten. Im „Natur­schutz­ge­biet Heid­koppel­moor und Umge­bung“ sieht man im Som­mer vom Wande­rweg aus eine klei­ne Her­de aus braun­wei­ßen Kühen und Och­sen über die wei­ten Wie­sen zie­hen. Sie ge­hört zum Demeter­hof Gut Wulf­sdorf und er­fül­len eine wich­ti­ge Auf­gabe für das Natur­schutz­ge­biet: Sie pfle­gen die arten­rei­chen Feucht­wie­sen in der Kern­zone, in­dem sie sie ein­mal im Jahr mä­hen, auf ihre Wei­se. Dies dient dem Er­halt der sel­tenen Pflan­zen­arten und da­mit der Viel­falt an Heu­schrecken, Spin­nen, Schmet­ter­lingen und Wie­sen­vögeln. Dank der Rin­der ver­buschen die Wie­sen nicht, wer­den nicht von Trak­tor­rei­fen zer­furcht und der Bo­den wird nicht ver­dich­tet. Das Mäh­gut, das zu vie­le Nähr­stof­fe ein­brin­gen wür­de, wenn es lie­gen blie­be, ent­sor­gen sie auch noch: durch Auf­essen.

Keine guten Vor­aus­set­zun­gen für Blu­men und Schmetter­linge

Lei­der waren der alte Zaun um die große, so­ge­nan­nte Borst­gras­wiese, im Lau­fe der Jahr­zehn­te zer­fal­len, so dass Land­wirt Ge­org Lutz ei­nen vie­le Hun­dert Me­ter lan­gen Elek­tro­zaun hätte auf­stel­len müs­sen, damit die Rin­der die Kräu­ter­apo­theke der Na­tur genie­ßen kön­nen. Die be­nach­barte Wie­se, die „Kleine Heid­koppel“, für de­ren Pfle­ge die Ge­mein­de Ammers­bek als Grund­ei­gen­tü­mer zu­stän­dig war, ge­hör­te bis­her nicht zum Rinder­reich. In den letz­ten Jah­ren war sie sehr ver­buscht, da die Ge­mein­de we­gen klam­mer Kas­sen die Pfle­ge auf ein not­wen­diges Mini­mum zu­rück­ge­fah­ren hat­te. So wurde sie nur noch alle zwei oder drei Jahre ge­mäht und das Mahd­gut nicht mehr ab­ge­fah­ren. Pap­peln und an­dere Bäu­me und Sträu­cher spros­sen und Spa­zier­gän­ger mit ih­ren Hun­den tram­pel­ten ei­nen wil­den Weg durch das Bio­top und nutz­ten es als Hun­de­toi­lette und Spiel­wiese. Al­les kei­ne gu­ten Vor­aus­set­zun­gen für Er­halt und En­twick­lung von Blüten­pflan­zen und Schmetter­lin­gen und ein kras­ser Wider­spruch zu dem, was die Schutz­ge­biets­ver­ord­nung er­laubt und for­dert.

Die NABU-­Gruppe Ammers­bek sah drin­gen­den Han­dlungs­be­darf und über­zeug­te den Ammers­beker Bür­ger­meis­ter Horst Ansén, dass es für Natur­schutz und Ge­mein­de­kas­se von Vor­teil wä­re, wenn Gut Wulfsdorf auch diese Wie­se pach­ten und mit sei­nen Rin­dern pfle­gen wür­de.

Traditioneller Stachel­draht­zaun als Lö­sung

Die Um­set­zung die­ses Plans durch das Gut Wulfs­dorf drohte an­fän­g­lich an den ho­hen Kos­ten für die ge­mein­sa­me Ein­frie­dung der Borst­gras­wiese und der Klei­nen Heid­koppel zu schei­tern. Das Land hatte gerade die För­der­mit­tel für den öko­lo­gischen Land­bau ge­stri­chen und die Na­tur­schutz­be­hör­de ver­langte zu Recht, dass die wer­tvol­len Baum­über­hän­ge, die bis sie­ben Me­ter in die Borst­gras­wiese hinein­ra­gen, er­hal­ten blei­ben müs­sten. Die­ser sel­ten ge­wor­de­ne Le­bens­raum für In­sek­ten ist gleich­zei­tig wert­volle Fut­ter­quel­le für die Brut­vö­gel im Re­vier. Baum­über­hän­ge ver­hin­dern je­doch, dass beim Zaun­bau und bei der re­gel­mäßig un­ter ei­nem E-­Zaun not­wen­di­gen Pfle­ge­mahd Maschi­nen ratio­nell ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Ein Elek­tro­zaun kam da­her aus Kos­ten­grün­den nicht in Fra­ge. Ein tra­di­tio­nel­ler Stachel­draht­zaun mit Ei­chen­spalt­pfäh­len be­deu­te­te viel Han­dar­beit und da­mit sehr ho­he Kos­ten. Auch ein Bio­hof muss wirt­schaft­lich und nicht nur aus Idea­lis­mus ar­bei­ten, des­halb dro­hte die Idee des NABU zu­nächst zu schei­tern.

Muskeleinsatz und Bingo-För­der­ung

Aber die NABU-­Gruppe ver­zag­te nicht, son­dern schritt zur Tat: An zwei Win­ter­ta­gen schul­ter­ten die Akti­ven Sä­ge und Zwacke, um die Klei­ne Heid­kop­pel von Pap­pel­schöß­lingen und Busch­werk zu be­frei­en. Der Bau­hof der Ge­mein­de schle­gel­te dann an­schlie­ßend die Fläche und mach­te sie da­mit wie­der zu ei­ner Wie­se. We­gen der ho­hen Kos­ten nahm Petra Ludwig-­Sidow, die Vor­sit­zende des NABU-­Ammers­bek Kon­takt mit der Um­welt­lotter­ie Bin­go auf, um die Chan­cen für ei­ne fi­nan­ziel­le För­der­ung zu klä­ren. Sie stan­den gut und Angeli­ka Schmidt, zwei­te Vor­sit­zen­de und Mit­glied der NSG-­Be­treu­er­grup­pe, hol­te die Ge­neh­mi­gung von der Un­te­ren Na­tur­schutz­behör­de ein und stell­te ei­nen För­der­an­trag bei Bin­go. Finan­ziert wer­den soll­ten 1700 m Stachel­draht, 180 Eiche­nspalt­pfä­hle, 1000 Kram­pen und der Ein­satz ei­nes mo­tor­ge­trie­be­nen Erd­loch­boh­rers, um den Zaun an der Borst­gras­wie­se zu er­neu­ern und ei­nen ne­uen Zaun um die Klei­ne Heid­kop­pel zu er­rich­ten. Da die Kos­ten im Rah­men blei­ben muss­ten, war schon jetzt klar, dass sehr vie­le Ar­beits­ein­satz­stun­den als Ei­gen­an­teil ge­leis­tet wer­den müss­ten.

Mit der BINGO-­Förderung war auch der Land­wirt Ge­org Lutz als Lei­ter von Gut Wulfs­dorf be­reit, das Wei­de­zaun­pro­jekt mit den NABU-­Ammers­bek ge­mein­sam durch­zu­füh­ren und mit Mann- und Maschi­nen­ein­satz zu un­ter­stüt­zen. Die NABU-­Grup­pe war froh, denn oh­ne seinen Ein­satz, die An­lei­tung und Er­fah­rung wä­re so eine Ak­tion nicht mög­lich ge­we­sen. Ge­mein­sam wur­de nun ge­plant und or­ga­ni­siert und bald tra­fen die ers­ten Ei­chen­spalt­pfäh­le und Stachel­draht­rol­len auf dem Wulfs­dor­fer Hof ein.

Zaunziehen als neue Erfahrung für Naturschützer

Am 11. Mai 2012 war es dann so­weit:  acht NABU-­Aktive stan­den mit Spa­ten, Häm­mern und stachel­draht­siche­ren Hand­schu­hen be­reit, als Georg Lutz mit Trak­tor und Hän­ger ein­traf, be­glei­tet von zwei Mit­ar­bei­tern und se­inem Sohn. Die Schreib­tisch­täter der NABU-­Gruppe hat­ten noch nie einen Stachel­draht­zaun er­rich­tet, bis auf Hanno Voigt, für den es al­ler­dings schon ei­ni­ge Jahr­zehn­te her war. Aber dank ge­dul­di­ger An­lei­tung durch Bau­er Lutz und dem Ein­satz sei­nes er­fah­renen Teams wur­de es ei­ne ge­lun­ge­ne Ak­tion.

Zu­nächst muss­ten die Zaun­lö­cher un­ter den Bäu­men mit ei­nem ben­zin­ge­trie­be­nen Erd­loch­boh­rer per Hand in den Bo­den ge­fräst wer­den. Spä­ter auf der Klei­nen Heid­kop­pel hing ein gro­ßer Erd­loch­boh­rer am Trak­tor, der alle 3,5 Me­ter ein Loch bohr­te. Dann wur­den die Ei­chen­pfäh­le ein­ge­setzt, die Lö­cher auf­ge­füllt und die Er­de fest­ge­stampft. Die vie­len Stachel­draht­rol­len muss­ten ab­ge­rollt wer­den, der Draht ge­spannt und mit Kram­pen be­fes­tigt wer­den. Und der Land­wirt schär­fte den Ökos ein, kei­ne ein­zige Kram­pe zu ver­lier­en, denn eine häu­fi­ge To­des­ur­sache bei Rin­dern sind ver­schluckte Kram­pen oder Draht.

Nach ins­ge­samt fünf z.T. schweiß­trei­ben­den Ein­satz­ta­gen prunkt seit­dem ein Zaun um Borst­gras­wiese und Klei­ne Heid­kop­pel und schützt sie und ihre wie­der­käu­en­den Gärt­ner. Am letz­ten Ein­satz­tag wa­ren nur noch gut 50 Me­ter Zaun zu zie­hen. Die schaff­ten die NABUs so­gar oh­ne die An­lei­tung des Wulfs­dorfer Land­wirts. Der auf dem Land auf­ge­wach­sene Hanno Voigt über­nahm die knif­felige Auf­gabe des Span­nens. Bau­er Lutz hat­te den bei­den Vor­sit­zen­den vor­her den Span­ner und die Stan­ge zum Zaun­ab­rol­len in die Hand ge­drückt und ge­meint: „Ihr schafft das schon“. Die Zu­sam­menar­beit hat­te nicht nur Ver­trau­en ge­schaf­fen, son­dern auch Spaß ge­macht.

Gekürzte Fassung erschienen in der WUZ vom August 2012: http://www.wuzonline.de/wp-content/uploads/2010/12/WUZ_Nr_69_vom_August_20121.pdf -> (pdf, 4,6 Mb)